Beschaffungsinitiativen und -kriterien zur Erreichung von Nachhal-tigkeits- und Sozialzielen
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1. Die Nutzung des öffentlichen Auftragswesens für nachhaltige Ziele
Städte können sich dazu entschließen, ihre Beschaffungsprozesse nicht nur dazu zu nutzen, kurzfristige Bedürfnisse zu verfolgen, sondern auch langfristige Verpflichtungen einzugehen, die umfassendere Ziele in Bezug auf Ressourceneffizienz, Klimawandel, soziale Verantwor-tung und wirtschaftliche Belastbarkeit widerspiegeln, die in der Strategie der Organisation verankert sind.
Öffentliche Einrichtungen, die eine nachhaltige Beschaffung umsetzen, können von einer Reihe von Vorteilen berichten , einschließlich:
- Erfüllung umwelt- und nachhaltigkeitspolitischer Ziele. Die Beschaffung teurer Infra-struktur oder Güter hat einen besonders hohen CO2-Fußabdruck.
- Finanzielle Effizienz. Auch wenn nachhaltige Beschaffungsoptionen auf den ersten Blick teurer erscheinen mögen, kann die Einbeziehung der Nachhaltigkeit in die all-gemeine Beschaffungsstrategie der Einrichtung dazu beitragen, den Beschaffungsbe-darf neu zu definieren und so die Gesamtkosten zu senken – beispielsweise durch die Reduzierung der Nachfrage, die Implementierung effizienterer Systeme oder die ge-meinsame Nutzung von Ressourcen mit anderen Unternehmen.
- Ruf. Sowohl Bürger als auch internationale Organisationen sind sich zunehmend der Nachhaltigkeitsproblematik bewusst und erwarten von den Behörden, dass sie bei der Anpassung ihres Konsumverhaltens eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Einfüh-rung eines nachhaltigen Beschaffungswesens kann auch politische Vorteile mit sich bringen, da sie ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bietet.
- Einhaltung internationaler Standards. Die Umsetzung nachhaltiger Beschaffungsprak-tiken kann dazu beitragen, die von den Vereinten Nationen festgelegten Nachhaltig-keitsziele zu erreichen. Dieser Ansatz unterstützt nicht nur die Einhaltung internatio-naler Nachhaltigkeitsstandards, sondern stärkt auch das Engagement der Organisati-on für eine langfristige, ethische und nachhaltige Entwicklung.
- Marktumstellung und Innovation. Die Einbeziehung einer nachhaltigen Beschaf-fungspolitik kann auch dazu beitragen, den Markt zur Entwicklung innovativer und nachhaltiger Lösungen anzuregen, die auf die Bedürfnisse der öffentlichen Einrich-tung zugeschnitten sind.
1.1 Möglichkeiten im Rahmen der Vergaberichtlinien von 2014
Die Vergaberichtlinien von 2014 (2014/23/EU,2014/24/EU und 2014/25/EU) (Links in engli-scher Sprache) eröffnen zahlreiche Möglichkeiten, eine nachhaltige Beschaffung umzusetzen und gleichzeitig die Grundanforderungen an Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehand-lung zu wahren.
Zu diesen Möglichkeiten zählen ökologische und soziale Aspekte, die bei der Vergabe und Durchführung öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden können:
Umweltverträglichkeit:
- Öffentliche Auftraggeber können Kriterien für eine umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen (GPP) in ein öffentliches Vergabeverfahren für Waren, Dienst-leistungen oder Bauleistungen integrieren, um die Umweltauswirkungen einer Be-schaffung zu reduzieren. Die GPP-Kriterien und -Anforderungen decken verschie-dene Beschaffungsobjekte ab und können unter diesem Link (Link in englischer Sprache) frei eingesehen werden. Ein Beispiel für ein Instrument, das für LDT-Lösungen verwendet werden kann, ist das ISO 14062 hinsichtlich ecodesign (Öko-design) (Links in englischer Sprache).
- Fairtrade-zertifizierte Produkte: Eine weitere Möglichkeit, die Nachhaltigkeit ent-lang der fairen Lieferkette zu fördern, ist die Verwendung von Fairtrade-zertifizierten Produkten, die ethische Beschaffungspraktiken und umweltfreundli-che Produktionsmethoden garantieren.
Soziale Nachhaltigkeit: Die soziale Verantwortung im Beschaffungsprozess kann auf verschiedene Weise umgesetzt werden:
- Verwendung vorbehaltener Aufträge: Artikel 20 der Richtlinie 2014/24/EU.
- Auch wenn Aufträge nicht vorbehalten werden, können die öffentlichen Auftrag-geber Zuschlagskriterien oder technische Spezifikationen einbeziehen, die die so-zialen Auswirkungen des Auftrags verbessern (Einbeziehung benachteiligter Grup-pen, SROI-Instrumente, Einhaltung der Grundsätze des Universal Design, Einhal-tung der grundlegenden Konventionen der ILO u. a., faire Löhne, Anforderung spezifischer Zertifizierungen wie SA8000).
- Wenn es um die soziale Verantwortung bei digitalen Projekten geht, sollten öf-fentliche Auftraggeber Electronics Watch (Link in englischer Sprache) und sein Po-tenzial als Instrument der öffentlichen Beschaffung zur Gewährleistung internati-onaler Arbeitsrechte und Sicherheitsstandards kennen.
Lebenszykluskostenrechnung: Die Einbeziehung der Lebenszykluskostenrechnung ge-mäß Artikel 68 der Richtlinie 2014/24/EU in die Ausschreibungsunterlagen ermöglicht es der Verwaltung, alle während der Lebensdauer des Produkts anfallenden Kosten im Voraus zu berücksichtigen, wodurch ein umweltfreundlicheres Produkt, Arbeit oder Dienstleistung erzielt wird, das bzw. die insgesamt auch kostengünstiger ist. In-strumente wie die ISO 14040_2006-Norm (Link in englischer Sprache) zur Bewertung des Lebenszyklus von digitalen Diensten und Geräten können verwendet werden.
2. Integration von Nachhaltigkeit und sozialen Zielen in das öffentliche Auftrags-wesen
Die öffentliche Beschaffung von Local Digital Twins (LDT)-Lösungen bietet eine bedeutende Chance, Nachhaltigkeit und Innovation voranzutreiben. Digitale Zwillinge, virtuelle Nachbil-dungen physischer Anlagen oder Systeme , können die Stadtplanung, die Energieeffizienz und das Infrastrukturmanagement verbessern. Durch die Berücksichtigung von Nachhaltig-keitskriterien im gesamten Beschaffungsprozess können öffentliche Auftraggeber sicherstel-len, dass diese Lösungen ökologisch und sozial verträglich sind und gleichzeitig Innovationen im Stadtmanagement fördern.
Nachfolgend finden Sie einen Überblick darüber, wie ökologische und soziale Nachhaltigkeit in wichtige Phasen des öffentlichen Beschaffungsprozesses für LDT-Lösungen integriert wer-den kann:
2.1 Auswahl des Verfahrens
Um Nachhaltigkeit und innovative Prozesse zu fördern, ist das gewählte Vorgehen entschei-dend:
- Offenes oder nichtoffenes Verfahren. Wenn die Lösung klar definiert und bereits auf dem Markt verfügbar ist, können offene oder nichtoffene Verfahren die Nachhaltig-keit berücksichtigen, indem ökologische und soziale Kriterien festgelegt werden. Mehr dazu unter Auswahl / Ausschluss von Bietern, Technische Daten, Zuschlagskriterien und Vertragserfüllungsklauseln (Links in englischer Sprache).
- Wettbewerbsdialog oder Innovationspartnerschaften. Wenn eine Behörde eine Lösung beschaffen möchte, die noch nicht flächendeckend auf dem Markt verfügbar ist, bie-ten sich flexible Verfahren wie der wettbewerbliche Dialog oder Innovationspartner-schaften an. Diese Verfahren fördern die Zusammenarbeit von Bietern und die Ent-wicklung maßgeschneiderter innovativer LDT-Lösungen. Weitere Informationen finden Sie in der Richtlinie Innovative Beschaffung.
2.2 Vertragsgegenstand
Der Vertragsgegenstand bildet die Grundlage für nachhaltige Ergebnisse. Er kann so definiert werden, dass er explizit nachhaltige Ergebnisse einschließt, wie beispielsweise:
- energieeffiziente Rechenzentren und Cloud-Infrastruktur,
- kohlenstoffarme Infrastruktur,
- Prinzipien der Kreislaufwirtschaft bei der Nutzung von Hardware,
- Lösungen mit digitalen Zwillingen für nachhaltige Stadtplanung,
- intelligente Abfallmanagementsysteme,
- verlängerte Lebensdauer des Produkts/der Dienstleistung
2.3 Auswahl / Ausschluss von Bietern
Die Auswahlphase der Ausschreibung kann wichtig sein, um den Einsatz nachhaltiger Be-schaffung zu signalisieren und die bisherigen Erfahrungen und technischen Kapazitäten der Lieferanten zu bewerten. In dieser Phase können Städte folgende Punkte berücksichtigen:
- Ausschlusskriterien. Ausschluss von Unternehmen von der Ausschreibung, die be-stimmte Anforderungen nicht erfüllen. Beispielsweise können Unternehmen ausge-schlossen werden, die wegen Verstößen gegen das Umwelt-, Sozial- und Arbeitsrecht der EU und das nationale Recht verurteilt wurden.
- Auswahlkriterien. Auswahl der für die Angebotsabgabe am besten geeigneten Unter-nehmen auf der Grundlage ihrer technischen Fähigkeiten und ihrer bisherigen Erfah-rungen im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand. Beispielsweise müssen Bie-ter ihre Fähigkeit zur nachhaltigen Auftragserfüllung nachweisen. Das Öko-Management- und Audit-System (Eco-Management and Audit Scheme (EMAS)) (Link in englischer Sprache) ist ein Instrument, das für dieses Ziel genutzt werden kann, ebenso wie die Norm ISO 14001 (Link in englischer Sprache).
Weitere Möglichkeiten finden Sie im Handbuch Buying Green! Handbook der Europäischen Kommission sowie in International Telecommunication Union (ITU) Greet ICT Standards (Links in englischer Sprache).
2.4 Technische Spezifikationen
Technische Spezifikationen sind ein wichtiger Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen und legen verbindliche Anforderungen an die Bieter fest. In dieser Phase können ökologische und ethische Anforderungen festgelegt werden, wie beispielsweise die Verwendung energieeffizi-enter Hardware, erneuerbarer Energiequellen, kohlenstoffarmer Infrastruktur oder umwelt-freundlicher Softwareentwicklungsprozesse. Je nach Auftragsgegenstand können, wie im vor-herigen Absatz 1.1 beschrieben, die GPP-Anforderungen und -Kriterien der Europäischen Kommission in die technischen Spezifikationen aufgenommen werden. Aus sozialer Sicht können auch soziale Aspekte in den technischen Spezifikationen berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Berücksichtigung von Barrierefreiheit und Design für alle sowie die Forde-rung nach Auszubildenden oder Praktikanten zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Ein wichtiger Aspekt, der in dieser Phase erforderlich sein kann, ist die Interoperabilität der Lösung mit anderen städtischen Systemen und die Skalierbarkeit, um zukünftige Verbesse-rungen in der Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Weitere Informationen zu Mindestinteropera-bilitätsmechanismen (Minimum Interoperability Mechanisms, MIMs) finden Sie in der Richt-linie zur Einhaltung von MIMs, Standards, Spezifikationen und Zertifizierungen.
2.5 Zuschlagskriterien
Der MEAT-Ansatz ermöglicht es den Auftraggebern, Angebote anhand eines breiteren Spekt-rums an Zuschlagskriterien zu bewerten, darunter Qualität, ökologische und soziale Auswir-kungen sowie Lebenszykluskosten, anstatt sich nur auf den niedrigsten Preis zu konzentrie-ren. Dies kann Lieferanten dazu ermutigen, nachhaltigere Lösungen anzubieten, die einen langfristigen Mehrwert bieten, wie beispielsweise geringere Umweltauswirkungen, ethische Arbeitspraktiken und eine längere Produktlebensdauer. Dies fördert langfristig sowohl die Kosteneffizienz als auch die Nachhaltigkeitsziele.
Das MEAT-Programm für das wirtschaftlich günstigste Angebot ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern, Nachhaltigkeit und Innovation in der angebotenen Lösung zu belohnen.
Neben den technischen Spezifikationen gibt es für bestimmte Beschaffungsobjekte auch prä-zise Zuschlagskriterien, die direkt in die Ausschreibungsunterlagen aufgenommen werden können. Auch die Verwendung spezifischer Zertifizierungen, die die Umweltqualität des Un-ternehmens betreffen, wie beispielsweise die bekannte ISO 14001 oder Energiezertifizierun-gen, können als technische Bewertung in den Zuschlagskriterien gefordert werden.
Einige Länder setzen auf Instrumente wie die CO2-Leistungsleiter (CO2 Performance Ladder, Link in englischer Sprache) ein Beschaffungsinstrument, das die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks in der Lieferkette fördert. Diese Instrumente können sowohl als Zuschlagskrite-rien als auch als technische Spezifikationen angegeben werden.
Beispielsweise kann die Verwendung der Lebenszykluskostenrechnung belohnt werden, um die Gesamtbetriebskosten eines LDT-Beschaffungsobjekts wie Energie-, Wartungs- und Ent-sorgungskosten am Ende der Lebensdauer zu bewerten.
Punkte für den Zuschlag können auch für Lösungen vergeben werden, die ökologische und soziale Vorteile bieten (z. B. die Schaffung von grünen Arbeitsplätzen vor Ort) oder für inno-vative Ansätze, die über die technischen Spezifikationen hinausgehen. So können beispiels-weise Lösungen, die über die Mindeststandards für Interoperabilität hinausgehen, mit zu-sätzlichen Punkten belohnt werden.
2.6 Vertragserfüllungsklauseln und -management
Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sollte in allen Vertragserfüllungsklauseln fortgeführt werden, beispielsweise durch Nachhaltigkeitsberichte oder die kontinuierliche Verbesserung seitens der Lieferanten. Diese Klauseln dienen als Garantien und verpflichten Auftragnehmer zur Einhaltung ihrer sozialen Verantwortung, da Verstöße zu Strafen oder zum Ausschluss vom Vergabeverfahren führen können.
3. Weitere Überlegungen
Auftraggeber können auch andere Aspekte berücksichtigen, wie beispielsweise die Zusam-menarbeit mit lokalen Interessengruppen (wie Gemeinden und Umweltorganisationen), um sicherzustellen, dass die LDT-Lösung die Nachhaltigkeitsanforderungen wie erwartet erfüllt. Dies kann im Rahmen von Workshops zur Einbindung der Gemeinde oder durch den Aufbau von Partnerschaften mit lokalen Umwelt-NGOs geschehen.
Auch die Abstimmung mit externen Stakeholdern und Organisationen kann in Betracht gezo-gen werden, um sicherzustellen, dass die Beschaffungsentscheidungen der Städte mit staatli-chen oder regionalen Nachhaltigkeitsstrategien (z. B. CO2-Neutralitätszielen, Plänen für grü-ne städtische Mobilität usw.) im Einklang stehen. Dies kann durch die Abstimmung mit um-fassenderen regionalen Entwicklungsprogrammen oder durch den Aufbau von Partnerschaf-ten mit Regierungsbehörden zur Datenerfassung und Berichterstattung über Umweltauswir-kungen erreicht werden.
4. Förderung der Teilnahme von KKMU und Start-ups
Alles über die Ausschreibungsstrategie zur Gewinnung kleiner und mittlerer Unternehmen und der Einbeziehung von Start-ups in die öffentliche Auftragsvergabe finden Sie in der Richtlinie Informationen zur Förderung der Teilnahme von KMU.
5. Initiativen für nachhaltige Beschaffung
Weitere Ressourcen zu nachhaltiger und sozialer Beschaffung finden Sie auf den folgenden Websites (in englischer Sprache):
- Das Procura+ Netzwerk (Procura+ Network) und sein Procura+ Handbuch (Procura+ Manual).
- International Telecommunication Union (ITU)’ Green ICT Standards.
- Das Ressourcen-Zentrum der Plattform für nachhaltige Beschaffung.
- Der Helpdesk für umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (Green Public Procurement Helpdesk) von der Europäischen Kommission, verwaltet von ICLEI. Siehe die empfohlenen EU-GPP-Kriterien für Computer, Monitore, Tablets und Smartphones (2021) und für Rechenzentren, Serverräume und Cloud-Dienste (2020).
- Big Buyers Working Together, für eine größere Wirkung.
- Das Handbuch Buying Green! (The Buying Green! Handbook) von der Europäischen Kommission.
Zusätzliche Ressourcen zur Markterschließung (in englischer Sprache):
· Filtern Sie nach „market engagement“ (Markterschließung) im Ressourcenzentrum der Plattform für nachhaltige Beschaffung.
· Bericht der SPP-Regionen zur Markterschließung, (SPP Regions report on market engagement) – Bereitstellung detaillierter praktischer Ratschläge zur Markteinführung.
· INNOCAT Best Practice-Bericht zur Markterschließung (INNOCAT market engagement best practice report) – mit detaillierten Fallstudien, die den Umsetzungsprozess beschreiben.