Effektive Verfahren zur Bewertung der Beschaffung und effektive Verhandlungen

IN ENGLISCH LESENAUF FRANZÖSISCH LESEN

 

Effective Procurement Evaluation Processes and Negotiations


1.    Bewertungsprozess

Eine effektive Bewertung von Angeboten und Lösungen ist für einen fairen und transparen-ten Beschaffungsprozess und für die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung. Um eine solche effektive Bewertung zu erreichen, müssen die Auftraggeber dies bereits bei der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Request for Quo-tation, RFQ) angemessen berücksichtigen. Dies kann durch die Bereitstellung klarer und um-fassender Anforderungen, Zuschlagskriterien sowie Gewichtungs- und Bewertungsinformati-onen erreicht werden.

Bei der Festlegung der Zuschlagskriterien sollten öffentliche Auftraggeber darauf achten, dass diese einerseits hinreichend genau sind, um den Markt und die Teilnehmer bestmöglich zu informieren, andererseits aber auch hinreichend weit gefasst sind, um ein Mindestmaß an Flexibilität im Bewertungsprozess zu ermöglichen. Interessierte Parteien sollten über die Er-wartungen des öffentlichen Auftraggebers informiert werden. Die auf diese Weise kommuni-zierten Bewertungskriterien sollten jedoch nicht so detailliert sein, dass jedes einzelne Ele-ment detailliert aufgeführt wird, das unter einem bestimmten Bewertungskriteriums berück-sichtigt werden kann oder nicht, da sich der öffentliche Auftraggeber dadurch jegliche Flexi-bilität bei der Ermittlung positiver oder negativer Elemente in den eingereichten Angeboten versagen würde.

Die Bewertung der technischen Aspekte der Angebote kann die Einbeziehung von Experten und Nutzern erfordern. Ein bewährtes Verfahren besteht darin, die verschiedenen Ansichten im Bewertungsprozess durch ein Gremium zu vergleichen, abzugleichen und abzustimmen. Dies stärkt die Bewertung und trägt zu einer fairen Bewertung bei. In diesem Prozess kann ein öffentlicher Auftraggeber ein Bewertungsmodell verwenden, das die Kriterien, deren Ge-wichtung und eine Bewertungsmethode widerspiegelt, um eine faire und transparente Be-wertung zu erzielen. Ein solches Bewertungsmodell muss in allen Aspekten vollständig mit den in der Ausschreibung festgelegten Bewertungskriterien übereinstimmen.

Auftraggeber sollten nicht davor zurückschrecken, Demos, Prototypen oder Proof-of-Concept-Präsentationen anzufordern, um die Funktionalität und Eignung der vorgeschlage-nen Lösung zu beurteilen.

Was die finanzielle Bewertung betrifft, ist möglicherweise ein Gesamtbetriebskostenansatz vorzuziehen, insbesondere dann, wenn die Angebote eine Vielzahl maßgeschneiderter Lö-sungen im Vergleich zu plattformbasierten Lösungen widerspiegeln.

2.    Maßnahmen vor der Auftragsvergabe

2.1.    Nutzung der Vertragsmustermodule – Annahmen

  • Diese Richtlinie für effektive Verfahren zur Bewertung der Beschaffung und effektive Verhandlungen basiert auf einem Kontext in dem vor dieser Phase die folgenden An-nahmen galten, und sollte vorzugsweise in diesem Kontext verwendet werden: Die Kommune verwendet die über den Online-Helpdesk zur Verfügung gestellten Beschaf-fungsvorlagen und hat sichergestellt, dass die gewählte Vorlage den Anforderungen des Projekts entspricht und Anpassungen und Individualisierungen nach Bedarf und Validierung ermöglicht wurden.
  • Die Kommune hat sich an den Richtlinien zur Auswahl von Beschaffungsobjekten und Vorlagen orientiert und die Ausschreibungsbedingungen so festgelegt, dass sie für die Beschaffung des/der vorgesehenen Beschaffungsobjekts/Beschaffungsobjekte ange-messen sind.
  • Das gewählte Beschaffungsverfahren ermöglicht die Entwicklung von Verhandlungs-praktiken: das Verhandlungsverfahren für „traditionelle“ Beschaffungsverfahren und das wettbewerbliche Verfahren mit Verhandlung oder wettbewerblichem Dialog für die öffentliche Beschaffung innovativer Lösungen (PPI). 

2.2.    Rahmensetzung vor der Verhandlung

2.2.1.    Beschränkung der verhandelbaren Posten im Vorfeld der Ausschreibung

Vertragsbedingungen können im Voraus eingeschränkt werden, d. h. der öffentliche Auftrag-geber kann bestimmte, nicht verhandelbare Bedingungen festlegen.

Beachten Sie, dass Verhandlungen über Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien nicht zulässig sind (siehe Abschnitt 3.3). 

Darüber hinaus kann ein öffentlicher Auftraggeber angeben, dass über die in den Ausschrei-bungsunterlagen enthaltenen Klauseln nicht verhandelt wird.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Durch die Beschränkung der Diskussionen auf bestimmte Themen lässt sich die Verhandlungsdauer effektiv verkürzen und gleichzeitig ein vorteilhaftes Vertragskonzept bewahren. Darüber hinaus schafft es Klarheit und Eindeutigkeit in den Ver-handlungen. Werden beispielsweise die Grundsätze des geistigen Eigentums (Intellectual Property Rights, IPR) von den Verhandlungen ausgeschlossen, kann es zu keiner Preisabhän-gigkeit von den zu vereinbarenden IPR-Grundsätzen kommen.

Die Einschränkung von Verhandlungen hat jedoch auch Nachteile. Der größte Nachteil ist der potenzielle Verlust von Verhandlungsmöglichkeiten, die dem Auftraggeber oder den Kunden Vorteile bringen könnten. Eine nicht durchdachte Einschränkung kann sogar dazu führen, dass Bieter kein Angebot abgeben oder das grundsätzlich minderwertige Lösungen angebo-ten werden.

Wenn öffentliche Auftraggeber Bedingungen von vornherein als „nicht verhandelbar“ kenn-zeichnen, sollten sie sich daher darüber im Klaren sein, warum sie die Diskussion zu dieser Angelegenheit einschränken möchten und welche stichhaltigen Gründe sie für die tatsächli-che Position haben, die in den auf diese Weise „eingefrorenen“ Klauseln im Rahmen des Ver-fahrens eingenommen wird.

Unter Berücksichtigung der oben genannten Vorbehalte könnte der öffentliche Auftraggeber in Erwägung ziehen, die Verhandlungen auf folgende Punkten zu beschränken:

2.2.2.    Haftung und Haftungsfreistellungsklauseln


Ein öffentlicher Auftraggeber möchte sich möglicherweise den Aufwand von Verhandlungen ersparen, indem er die Haftung übernimmt und/oder den Auftraggeber durch den Aus-schluss von den Verhandlungen schadlos hält.
Soweit in den Ausschreibungsunterlagen hierzu Stellung genommen wird:

  • Ist eine Haftung der Parteien vorgesehen, die sich auf das Versicherbare beschränkt und dem Wert der Leistungen in einem angemessenen Verhältnis entspricht
  • Ist ein Nachweis ausreichender Sicherheit erforderlich
  • Sind Schäden, die durch grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz verursacht wurden, von jeg-licher Beschränkung ausgeschlossen
  • Entspricht eine separate Haftungsfreistellungsklausel, die den Anbieter verpflichtet, für seine Produkte und/oder Dienstleistungen einzustehen, bei Ansprüchen gegen den öffentlichen Auftraggeber einzuschreiten, die sich aus der Nutzung dieser Pro-dukte und/oder Dienstleistungen ergeben, und diesen vollständig schadlos zu halten (ohne Anwendung der in der Haftungsklausel genannten Beschränkungen), falls und soweit erforderlich
    Eine solche Einschränkung sollte sich nicht nachteilig auf das Gesamtergebnis des Ausschrei-bungsverfahrens und der Verhandlungen auswirken.

2.2.3.    Verhandlung auf. der Grundlage von Complicance-Formularen

Indem ein öffentlicher Auftraggeber die Bewerber fragt, ob sie diese Bedingungen einhalten können, und von ihnen verlangt, etwaige Nichteinhaltungen zu begründen, kann er den Grad der Einhaltung der von ihm vorgeschlagenen Vertragsbedingungen in die Zuschlagskriterien aufnehmen und wertvolle Informationen über die Verhandlungsposition der Bewerber ge-winnen.

Selbst wenn der öffentliche Auftraggeber darauf verzichtet, liefert das Compliance-Formular bereits im Vorfeld der Verhandlungen hilfreiche Informationen und ermöglicht ihm so einen effizienteren Verhandlungsprozess. Darüber hinaus erhält der öffentliche Auftraggeber durch die Ermittlung und den Vergleich der Positionen der verschiedenen Verfahrensteilnehmer wertvolle Erkenntnisse über die strittigsten Punkte.

Auf einem typischen Compliance-Formular sind in einer Spalte die Klauseln aufgeführt, die ein öffentlicher Auftraggeber in das zu begründende Vertragsverhältnis aufnehmen möchte. In einer zweiten Spalte werden die Teilnehmer gefragt, ob sie diese Klauseln einhalten oder nicht. In einer dritten Spalte können die Teilnehmer angeben, welche Probleme sie mit den Klauseln haben, die sie nicht einhalten möchten, und – möglicherweise – welche Änderun-gen sie vorschlagen würden.

2.2.4.    Mindestanforderungen in der Ausschreibung versus Verhandlungsspielraum

In diesem Abschnitt geht es um die Einbeziehung von Mindestanforderungen in Ausschrei-bungsunterlagen und die Auswirkungen, die sich daraus auf die anschließende Vertragsge-staltung ergeben.

Was sind die Mindestanforderungen? Die der Richtlinie 2014/24 vorangegangenen Erwägun-gen liefern folgende Definition:

Es sollte klargestellt werden, dass es sich bei den Mindestanforderungen, die vom öffentlichen Auftraggeber festzulegen sind, um jene (insbesondere physischen, funktionellen und rechtlichen) Bedingungen und wesentlichen Merkmale handelt, die jedes Angebot erfüllen beziehungsweise aufweisen sollte, damit der öffentliche Auftraggeber den Auftrag im Einklang mit dem gewählten Zuschlagskriterium ver-geben kann. 

Die Richtlinie verlangt von den öffentlichen Auftraggebern, dass sie bei der Wahl des Ver-handlungsverfahrens oder einer Innovationspartnerschaft  angeben, welche Elemente der Bedarfs- und Merkmalsbeschreibung für die Festlegung der Mindestanforderungen erforder-lich sind. 

Für beide Verfahren legt die Richtlinie fest, dass die Mindestanforderungen nicht Gegen-stand von Verhandlungen sein dürfen. 

Die Betonung der Unveränderlichkeit der Mindestanforderungen gewährleistet die Transpa-renz des Verfahrens und die Gleichbehandlung der Teilnehmer und hilft den öffentlichen Auftraggebern gleichzeitig, die Grundlagen für ihre Beschaffungstätigkeit festzulegen.

Die Bezeichnung einer Anforderung als Mindestanforderung hat daher eine ähnliche Wir-kung wie die Erklärung, dass sie nicht verhandelbar sei – mit ihren Vor- und Nachteilen.

Für den öffentlichen Auftraggeber ist es jedoch entscheidend, die Kontrolle über die Einstu-fung von Anforderungen als „Mindestanforderungen“ zu behalten. Ausdrücke wie „mindes-tens“ oder „muss“ können, wenn sie im Zusammenhang mit Anforderungen ungenau ver-wendet werden, als Kennzeichnung von Mindestanforderungen interpretiert werden und somit die Handlungsmöglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers einschränken, falls die An-forderungen von den Teilnehmern nicht vollständig erfüllt werden.

Ein besonderes Risiko besteht bei der Verwendung der MoSCoW-Methode oder -Analyse, ei-ner Priorisierungstechnik zur Verwaltung von Anforderungen, bei der Anforderungen eine Prioritätsstufe zugewiesen wird, die von „Muss haben“ über „Sollte haben“ und „Könnte ha-ben“ bis hin zu „Werde nicht haben“ bzw. „Werde im Moment nicht haben“ reicht. Ohne zu sehr auf die Bedeutung der Abkürzungen einzugehen, wird deutlich, dass die Einstufung ei-ner Anforderung als „Muss haben“ gleichbedeutend mit der Zuweisung des Status einer Mindestanforderung sein kann. Während Anforderungen jedoch während der Angebots-, Verhandlungs- und Ausführungsphase auf der MoSCoW-Skala nach oben oder unten rut-schen können, ist dies bei Mindestanforderungen nicht der Fall. Die Annahme, dass jede „Muss haben“-Anforderung eine „Mindestanforderung“ ist, gefährdet daher den Ausschrei-bungsprozess und die anschließende Ausführung.
Es wird daher empfohlen, in jedes Ausschreibungsdokument eine Formulierung aufzuneh-men, die das Ergebnis einer MoSCoW-Analyse der Ausschreibungsanforderungen enthält oder widerspiegelt, sodass keine der auf diese Weise definierten Anforderungen auf die Fest-legung einer Mindestanforderung gemäß der geltenden Gesetzgebung hinausläuft, ungeach-tet des scheinbar zwingenden Charakters der Anforderung.

3.    Verhandlungsgrundsätze, Anforderungen und Möglichkeiten im Vergaberecht

Dieses Kapitel beschreibt die für Verhandlungen im öffentlichen Beschaffungswesen relevan-ten Grundsätze, die beachtet werden müssen und dem Auftraggeber bei der Strukturierung des Verhandlungsprozesses helfen können. Das Vergaberecht enthält nur minimale Regelun-gen für die Verhandlungsphase im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen. Daher basieren die meisten Grundsätze und Best Practices auf der Rechtsprechung.
Eine Grundregel bei Verhandlungen mit Bietern ist die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung. Beispielsweise darf ein öffentlicher Auftragge-ber keine zusätzlichen oder bevorzugten Informationen offenlegen, die einem Bieter einen Vorteil gegenüber einem anderen verschaffen könnten. Ebenso müssen alle Änderungen der technischen Spezifikationen der Ausschreibung allen an den Verhandlungen beteiligten Bie-tern mitgeteilt werden.

3.1.    Obligatorische oder nichtobligatorische Verhandlungen

Die Anwendung öffentlicher Beschaffungsverfahren, die Verhandlungen zulassen, unterliegt den im Vergaberecht festgelegten Bedingungen. Konkret sind Verhandlungen mit Bietern nach einem ersten Angebot nur im Verhandlungsverfahren, im vereinfachten Verhandlungs-verfahren mit vorheriger Bekanntmachung und im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung möglich.

Der wettbewerbliche Dialog unterscheidet sich davon insofern, als er einen Dialog mit den Teilnehmern ermöglicht, der zu Lösungen führt, die dem Bedarf des öffentlichen Auftragge-bers entsprechen, und zu Angeboten, die nach Abschluss des Dialogs vorgelegt werden. Der Dialog ist eine Verhandlung, die dem Angebot vorausgeht.

3.2.    Wahl der Verhandlungspartner

Sofern in den Ausschreibungsunterlagen keine gegensätzliche spezielle Klausel enthalten ist, müssen grundsätzlich alle Bieter zur Teilnahme an den Verhandlungen eingeladen werden. Es steht öffentlichen Auftraggebern jedoch frei, den Verhandlungsprozess zu vereinfachen, indem sie nur eine begrenzte Anzahl von Bietern einladen. Die öffentlichen Auftraggeber ver-fügen über erhebliche Flexibilität bei der Gestaltung der Verhandlungsphase. Sie können entscheiden, ob die Verhandlungen in mehreren Phasen durchgeführt werden und wie viele Bieter zu jeder einzelnen Phase eingeladen werden.

Diese Entscheidung darf nicht willkürlich getroffen werden, insbesondere nicht, nachdem be-reits Angebote eingereicht wurden. In jeder Phase, in der die Anzahl der Bieter begrenzt ist, müssen die Angebote anhand aller Zuschlagskriterien bewertet werden. Nur die Bieter mit den höchsten Punktzahlen sollten zur Fortsetzung der Verhandlungen eingeladen werden.

Obwohl es für den öffentlichen Auftraggeber nicht zwingend erforderlich ist, wird empfoh-len, die genaue Anzahl der Bieter anzugeben, die in die nächste Verhandlungsphase einzie-hen können. Sind die Vorgaben diesbezüglich vage, sollten nur Bieter mit deutlich niedrige-ren Punktzahlen ausgeschlossen werden. Umgekehrt sollten Bieter mit hohen oder ähnlichen Punktzahlen zur Teilnahme an der nächsten Phase eingeladen werden.

Möchte ein öffentlicher Auftraggeber mit einem einzigen Bieter verhandeln, so ist dies zuläs-sig, sofern aus der Bewertung aller Zuschlagskriterien klar hervorgeht, dass der ausgewählte Bieter deutlich bessere Ergebnisse erzielt hat als die anderen, sodass es unwahrscheinlich ist, dass sich die Rangfolge der Bieter durch die Verhandlungen ändern würde.

Unabhängig davon, wie die Verhandlungen geführt werden, ist es für die Vergabebehörden von entscheidender Bedeutung, ausreichende und stichhaltige Begründungen für den Aus-schluss bestimmter Bieter, während andere weiterverhandelt werden können, vorzulegen.

3.3.    Gegenstand der Verhandlungen

Der Verhandlungsspielraum kann sehr breit oder sehr eng gefasst sein. Selbst die Aufforde-rung, den Angebotspreises zu optimieren, wird als – sehr enge – Form der Verhandlung an-gesehen. Vertragsbedingungen, wie etwa die Haftungsbeschränkung oder die angebotene technische Lösung, können jedoch Teil der Verhandlung sein.

Es steht öffentlichen Auftraggebern frei, den Umfang der Verhandlungen einzuschränken. Dies ist auch dann möglich, wenn bestimmte Bieter bei bestimmten Zuschlagskriterien nicht die erwartete Leistung erbracht haben und der eingeschränkte Verhandlungsumfang keine Verbesserung des Angebots in diesem Punkt zulässt.
Um Diskussionen nach der Auftragsvergabe zu vermeiden, wird Auftraggebern empfohlen, darauf hinzuweisen, dass der Verhandlungsumfang auf bestimmte Aspekte beschränkt wer-den kann, ohne diese näher zu spezifizieren. Angenommen, der Verhandlungsumfang ist un-eingeschränkt und Bieter dürfen sämtliche Aspekte ihrer ursprünglichen oder vorherigen An-gebote ändern. In diesem Fall brauchen sie ihr ursprüngliches oder vorheriges Angebot nicht vollständig neu einzureichen. Eine Zusammenfassung der Änderungen des ursprünglichen Angebots ist ausreichend.

Obwohl der Verhandlungsumfang im Ermessen der öffentlichen Auftraggeber liegt, bleiben bestimmte Aspekte nicht verhandelbar. Die in den technischen Spezifikationen festgelegten Mindestanforderungen können durch Verhandlungen nicht geändert werden.

Ebenso sind Änderungen der Zuschlagskriterien der Ausschreibung unter keinen Umständen zulässig.

3.4.    Verhandlungsphasen je nach angewandtem Verfahren

Alle öffentlichen Vergabeverfahren, bei denen Verhandlungen zulässig sind, können in meh-reren Phasen durchgeführt werden. Wie bereits erwähnt, obliegt es dem öffentlichen Auf-traggeber, die Verhandlungsstruktur im Vorfeld festzulegen. Diese Entscheidung ist unab-hängig vom gewählten Vergabeverfahren. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist die Nut-zung des wettbewerblichen Dialogs oder der Innovationspartnerschaft durch einen öffentli-chen Auftraggeber.

3.5.    Informationsbereitstellung während Verhandlungen

Es ist öffentlichen Auftraggebern untersagt, vertrauliche Informationen anderer Bewerber im Rahmen der Verhandlungen weiterzugeben. Es stellt sich daher die Frage, was vertrauliche Informationen sind.
So gilt beispielsweise die allgemeine Beschreibung eines Angebots in einem Dokument einer Genehmigungsbehörde nicht als vertraulich. Umgekehrt gelten konkrete Angaben aus den Angeboten anderer Bieter immer als vertraulich.

Öffentliche Auftraggeber dürfen jedoch vertrauliche Informationen aus einem Angebot of-fenlegen, wenn der Bieter der Offenlegung zustimmt. Diese Zustimmung muss ausdrücklich erfolgen und sich auf den spezifischen Inhalt und Kontext beziehen, in dem die Informatio-nen weitergegeben werden.

In der Praxis können die Beschränkungen bei der Weitergabe bestimmter vertraulicher In-formationen die Verhandlungen erschweren, da die Auftraggeber bestimmte Ideen nicht mit anderen Bietern teilen können, um mögliche Lösungen zu verfeinern. Daher gibt es Kritik an diesen Vertraulichkeitsregeln.

Ein öffentlicher Auftraggeber kann diese Einschränkungen jedoch verringern, indem er in den Ausschreibungsunterlagen die Aspekte detailliert darlegt, zu denen er Anregungen benötigt. So kann er seine spezifischen Anforderungen konkretisieren. In den Spezifikationen sollte eindeutig vermerkt sein, dass der Auftraggeber bei der Anpassung bestimmter Anforderun-gen eventuell auf die Ideen der Bieter zurückgreift. Der Umfang dieser Informationen muss für alle Bieter transparent sein, da eine generelle Zustimmung zur Weitergabe vertraulicher Informationen nicht zulässig ist.

Ein weiterer Ansatz zur Verringerung von Vertraulichkeitsbeschränkungen besteht darin, die Bedürfnisse des Auftraggebers durch eine Analyse der ersten Angebote zu klären, ohne auf innovative Lösungen einzelner Bieter zurückzugreifen. Indem man anderen Bietern die Er-wartungen erläutert, können diese ermutigt werden, eigene innovative Lösungen zu entwi-ckeln. Auf diese Weise kann der Bieter mit der ursprünglichen innovativen Lösung seinen Wettbewerbsvorteil wahren.

3.6.    Abschluss der Verhandlungen

Die Verhandlungen sind abgeschlossen, wenn der öffentliche Auftraggeber den Abschluss der Verhandlungen offiziell bekannt gibt und eine einheitliche Frist für die Einreichung der „bes-ten und endgültigen Angebote“ festlegt.
Nach Abgabe eines „besten und endgültigen Angebots“ können keine weiteren Angebote mehr eingereicht werden. Es gibt jedoch einen Fall in der Rechtsprechung, in dem ein öffent-licher Auftraggeber ein zusätzliches „bestes und endgültiges Angebot“ anfordern durfte, ob-wohl die ursprünglichen Angebote alle erhebliche Mängel aufwiesen. Diese Rechtsprechung legte die Spezifikationen weit aus, sodass eine Wiederholung desselben Ergebnisses nicht ga-rantiert ist.

4.    Aushandlung von Preisen und Konditionen

Dieses Kapitel behandelt wichtige Aspekte der Preisverhandlung, darunter Überlegungen zur Aufrechterhaltung des wesentlichen wirtschaftlichen Gleichgewichts, die Berücksichtigung von Preisanpassungen und Indexierungsbedingungen in Verträgen sowie die Vorteile einer gewissen Flexibilität bei der Festlegung von Anforderungen, um den Austausch während der Preisverhandlung zu erleichtern. Darüber hinaus wird die Verwendung einer Aufforderung zur Abgabe eines „besten und endgültigen Angebots“ als effektive Methode zum Abschluss von Preisverhandlungen behandelt. Die Einhaltung der Gegenleistung ist während des ge-samten Prozesses von entscheidender Bedeutung.

4.1.    Preisanpassungen und Indexierung

Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist die Einführung transparenter, fairer und aus-gewogener Mechanismen für Preisanpassungen und Indexierung unerlässlich, um eine nach-haltige wirtschaftliche Beziehung zwischen den Vertragsparteien während der gesamten Ver-tragslaufzeit zu gewährleisten. Preisanpassungs- und Indexierungsklauseln tragen dazu bei, den natürlichen Schwankungen der Marktbedingungen und der Inflation Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass der Vertrag während seiner gesamten Laufzeit für beide Parteien tragfähig bleibt.

Obwohl dies nicht immer obligatorisch ist, wird dringend empfohlen, in die Ausschreibungs-unterlagen aller öffentlichen Aufträge einen nachhaltigen und ausgewogenen Preisanpas-sungsmechanismus aufzunehmen.
In Bezug auf den Preisanpassungsmechanismus sind die folgenden Hauptüberlegungen von entscheidender Bedeutung:

  1. Preisstabilität und Risikomanagement: Preisanpassungen sollten darauf abzielen, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags zu wahren und gleichzeitig die mit langfris-tigen Beschaffungen verbundenen Risiken zu minimieren. Preisanpassungsklauseln müssen auf objektiven Kriterien basieren, wie beispielsweise Änderungen der Roh-stoff-, Arbeits- oder Energiekosten, die außerhalb der Kontrolle der Parteien liegen. Diese Klauseln bieten einen Mechanismus zur Anpassung des Vertragspreises an signi-fikante Veränderungen der externen Bedingungen, die andernfalls zu unerwarteten finanziellen Belastungen für den Lieferanten führen würden.
  2. Formel für die Indexierung: Die Indexierung wird häufig verwendet, um Vertragspreise auf der Grundlage externer Indizes wie Inflationsraten, Verbraucherpreisindizes (VPI) oder branchenspezifischer Preisindizes anzupassen. Die Implementierung objektiver Indizes in Preisanpassungsmechanismen für öffentliche Aufträge ist zwingend erfor-derlich und muss konsequent angewendet werden. Die Wahl eines geeigneten Index sollte die Art der zu beschaffenden Waren oder Dienstleistungen widerspiegeln. Wenn der Vertrag beispielsweise die Lieferung von Rohstoffen umfasst, die Markt-schwankungen unterliegen (z. B. Brennstoffe oder Metalle), sollte ein Index bevorzugt werden, der diese spezifischen Rohstoffe abbildet. Der Index und die Häufigkeit der Preisanpassungen (z. B. jährlich, halbjährlich) sollten im Vertrag klar definiert werden, um Unklarheiten zu vermeiden und die Vorhersehbarkeit zu gewährleisten.
  3. Ober- und Untergrenzen für Preisanpassungen: Um das Gleichgewicht zwischen Preis-stabilität und Fairness zu wahren, ist es sinnvoll, Ober- und Untergrenzen (maximale Preisanpassungen) im Vertrag festzulegen. Dadurch wird sichergestellt, dass Preisan-passungen weder eine Partei unverhältnismäßig begünstigen noch übermäßige Volati-lität verursachen. Durch die Festlegung angemessener Grenzen können willkürliche oder extreme Preiserhöhungen verhindert werden, die die finanzielle Durchführbar-keit des Beschaffungsprojekts gefährden könnten.
  4. Dokumentation und Begründung von Preisanpassungen: Jede Anfrage nach einer Preisanpassung sollte durch eine transparente Dokumentation unterstützt werden, einschließlich einer detaillierten Aufschlüsselung der Faktoren, die Kostenerhöhungen oder -senkungen beeinflussen. Auftragnehmer sollten verpflichtet sein, ihre Forde-rungen anhand objektiver, überprüfbarer Beweise wie Lieferantenrechnungen, Marktberichten oder offiziellen Regierungsstatistiken zu begründen. Diese Transpa-renz gewährleistet Rechenschaftspflicht und verringert die Wahrscheinlichkeit von Streitigkeiten über Preisanpassungen.

Durch eine klare und strukturierte Handhabung von Preisanpassungen und Indexierungen kann in öffentlichen Beschaffungsverträgen der Interessenausgleich zwischen dem öffentli-chen Auftraggeber und dem Lieferanten gewahrt und gleichzeitig den sich ändernden wirt-schaftlichen Bedingungen Rechnung getragen werden.

Sollte der in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehene Preisanpassungsmechanismus un-ter unvorhersehbaren Umständen nicht ausreichen, um das Gleichgewicht des öffentlichen Auftrags aufrechtzuerhalten, bietet das Vergaberecht die Möglichkeit, solche Ungleichge-wichte durch Vertragsänderungen auszugleichen. Drei Arten von Änderungen sind möglich: die Verlängerung der Vertragslaufzeit, die Änderung einer Vertragsklausel oder die Kündi-gung des Vertrags. Die beiden letztgenannten Änderungen sind nur zulässig, wenn dem Auf-tragnehmer ein erheblicher Nachteil entstanden ist. Bei Waren- und Dienstleistungsverträ-gen gilt ein Nachteil als erheblich, wenn er 15 % des ursprünglichen Angebotswerts beträgt.

Vor der Durchführung von Änderungen aufgrund von unvorhersehbaren Umständen hat der Auftragnehmer ein strenges Verfahren einzuhalten. Zunächst muss der Auftragnehmer den öffentlichen Auftraggeber innerhalb von 30 Kalendertagen nach Eintritt der unvorhersehba-ren Umstände schriftlich über deren Auswirkungen auf den Preis und die Ausführung des Auftrags informieren. Anschließend muss der Auftragnehmer dem öffentlichen Auftraggeber eine ausführliche und fundierte Begründung für die beantragte Änderung vorlegen. Diese Begründung muss den im Vergaberecht festgelegten Fristen entsprechen.

Erst wenn das oben genannte Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, können der öffentliche Auftraggeber und der Auftragnehmer über eine Vertragsänderung verhandeln.

4.2.    Anstreben eines besten und endgültigen Angebots („Best and Final Offer, BAFO“)

Bei Beschaffungsverhandlungen, insbesondere bei komplexen oder hochwertigen Verträgen, kann das Verfahren des „besten und endgültigen Angebots“ (BAFO) eine entscheidende Rolle spielen, um Preisverhandlungen abzuschließen und sicherzustellen, dass der Beschaffungs-prozess den bestmöglichen Nutzen für öffentliche Mittel erzielt. Das BAFO-Verfahren ermög-licht es den öffentlichen Auftraggebern, sich stärker auf die Erzielung eines fairen Preises zu konzentrieren und gleichzeitig die Qualität und Integrität des Vertrags zu wahren.

Der BAFO-Prozess erfordert daher sorgfältige Vorbereitung, Transparenz und einen ausgewo-genen Ansatz, der sowohl Preis- als auch Qualitätsfaktoren berücksichtigt. Flexibilität, die Förderung des Austauschs von Gegenleistungen, wo immer dies möglich ist, und konstruktive Verhandlungen können zu besseren Ergebnissen sowohl für den öffentlichen Auftraggeber als auch für den Lieferanten führen, während gleichzeitig die Integrität und das wirtschaftli-che Gleichgewicht des Vertrags gewahrt bleiben.

Es muss jedoch beachtet werden, dass geänderte Spezifikationen während der Verhandlun-gen über öffentliche Aufträge erhebliche Herausforderungen mit sich bringen können. Eine der Hauptschwierigkeiten besteht darin, den Beschaffungsprozesses fair und transparent zu gestalten. Die öffentliche Auftragsvergabe unterliegt strengen Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass alle potenziellen Bieter die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben. Wenn die Spezifikationen nach Abgabe der ersten Angebote geändert werden, kann dies zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führen. Andere Bieter könnten argumentieren, sie hätten andere oder wettbewerbsfähigere Angebote eingereicht, wenn ihnen die geänderten Spezifikationen bekannt gewesen wären. Dies kann zu Streitigkeiten und sogar rechtlichen Herausforderun-gen führen und die Integrität des Beschaffungsprozesses untergraben.

Eine weitere Herausforderung sind die möglichen Auswirkungen auf den Beschaffungszeit-plan und die Kosten. Änderungen der Spezifikationen erfordern oft zusätzlichen Zeitaufwand für Neubewertung und Neuverhandlung, was zu Projektverzögerungen führen kann. Dies ist besonders problematisch bei öffentlichen Ausschreibungen, bei denen die Zeitvorgaben in der Regel knapp bemessen sind und Verzögerungen erhebliche Auswirkungen haben können. Darüber hinaus können geänderte Spezifikationen zu Mehrkosten führen, sowohl durch den Verwaltungsaufwand für die Änderungsverwaltung als auch durch potenziell höhere Preise von Lieferanten, die ihre Angebote an die neuen Anforderungen anpassen müssen.

Öffentlichen Auftraggebern wird daher dringend empfohlen, bei der Darstellung des Ver-handlungsumfangs und möglicher Änderungen dieser Spezifikationen größtmögliche Trans-parenz zu wahren.

 

EC logo

These services are provided as part of the Local Digital Twins toolbox procurement - Advancing initial stages for the transformation of Smart Communities - Lot 1 and Lot 2, as described in the Digital Europe programme, and funded by the European Union.

© 2024. European Union. All rights reserved. Certain parts are licensed under conditions to the EU

The Commission’s reuse policy is implemented by Commission Decision 2011/833/EU of 12 December 2011 on the reuse of Commission documents (OJ L 330, 14.12.2011, p. 39 – https://eur-lex.europa.eu/eli/dec/2011/833/oj,). Unless otherwise noted (e.g. in individual copyright notices), content owned by the EU on this website is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) licence. This means that reuse is allowed, provided appropriate credit is given and any changes are indicated. You may be required to clear additional rights if a specific content depicts identifiable private individuals or includes third-party works. To use or reproduce content that is not owned by the EU, you may need to seek permission directly from the rightholders. Software or documents covered by industrial property rights, such as patents, trade marks, registered designs, logos and names, are excluded from the Commission's reuse policy and are not licensed to you.