Der EU-Rechtsrahmen für die öffentliche Auftragsvergabe
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Einführung
Der vorliegende Leitfaden zum EU-Rechtsrahmen für die öffentliche Auftragsvergabe dient als Orientierungshilfe für Beschaffungsverantwortliche von Städten. Er erläutert die Grundsätze und Anforderungen, die bei der Auftragsvergabe zu beachten sind, sofern der Auftragswert einer Ausschreibung voraussichtlich einen bestimmten Schwellenwert übersteigt. Auch wenn eine Ausschreibung die gesetzlich festgelegten Schwellenwerte nicht überschreitet und die spezifischen Anforderungen des EU-Rechts nicht erfüllen muss, sind die allgemeinen Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe, wie Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit, zwingend einzuhalten. Der vollständige EU-Rechtsrahmen für die öffentliche Auftragsvergabe ist in den folgenden Rechtsakten enthalten (eventuell nicht in deutscher Sprache verfügbar):
- Richtlinie 2009/81/EG über die öffentliche Auftragsvergabe in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit
- Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe (und für Weitere Informationen)
- Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe
- Richtlinie 2014/25/EU über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste
Die Richtlinie unterstützt lokale Behörden bei der Anwendung der dritten (Richtlinie 2014/24/EU) und vierten (Richtlinie 2014/25/EU) Richtlinie bei der Beschaffung digitaler Produkte und Dienstleistungen. Das Ziel besteht darin, den Beschaffungsverantwortlichen den Umfang und die Anwendbarkeit der Gesetzgebung zu vermitteln und die Einhaltung der Vorschriften bei der Modernisierung der digitalen Infrastruktur und der Implementierung eines lokalen digitalen Zwillings (Local Digital Twins, LDT) sicherzustellen.
Kleinere Kommunen mit begrenzten Ressourcen führen möglicherweise seltener hochpreisige Beschaffungen durch und sind mit den rechtlichen Rahmenbedingungen weniger vertraut. Dieses Kapitel dient als Leitfaden und erläutert die wichtigsten Aspekte für faire und konforme Beschaffungsprozesse.
Der Unterabschnitt „Geltungsbereich und Anwendbarkeit“ definiert den Anwendungsbereich, des jeweiligen Gesetzes für lokale öffentliche Einrichtungen. Der Unterabschnitt „Allgemeine Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU“ erläutert die im AEUV und den EU-Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe vorgeschriebenen Rechtsgrundsätze, die unabhängig vom Auftragswert gelten, mit Auslegungen und praktischen Beispielen.
Durch die Befolgung dieser Richtlinien erlangen die städtischen Beamten ein klares Verständnis der relevanten Gesetzgebung für Ausschreibungen, die den EU-Schwellenwert überschreiten. Zudem werden ihnen bewährte Verfahren für nationale Beschaffungen an die Hand gegeben.
2. Umfang und Anwendbarkeit
Das EU-Recht legt harmonisierte Mindestvorschriften für öffentliche Ausschreibungen fest, die einen festgelegten Schwellenwert überschreiten und ein grenzüberschreitendes Interesse voraussetzen. Diese Vorschriften regeln die Beschaffung von Gütern, Bauleistungen und Dienstleistungen im Rahmen öffentlicher Aufträge durch öffentliche Behörden und bestimmte Versorgungsunternehmen. Die Auftragsvergabe erfolgt dabei an ausgewählte Wirtschaftsteilnehmer, unabhängig davon, ob die Beschaffung einem öffentlichen Zweck dient oder nicht.
Bei Aufträgen mit hohem Auftragswert gewährleisten die EU-Vorschriften Fairness, Transparenz und Nichtdiskriminierung. Für Aufträge mit geringerem Auftragswert gelten die nationalen Vorschriften, die jedoch den allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts entsprechen müssen.
Es gibt drei sich gegenseitig ausschließende Auftragsarten – Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen – mit jeweils unterschiedlichen Schwellenwerten, die die Anwendbarkeit der EU-Vergabevorschriften bestimmen. Bauleistungen haben in der Regel höhere Schwellenwerte als Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Aufträge, die diese Schwellenwerte überschreiten, müssen EU-weit ausgeschrieben werden, um einen offenen und fairen Wettbewerb zu fördern.
Die finanziellen Schwellenwerte in den delegierten Verordnungen der jeweiligen EU-Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe sind in Kapitel 1. Einleitung aufgeführt. Die Schwellenwerte werden alle zwei Jahre durch die Veröffentlichung einer entsprechenden delegierten Verordnung aktualisiert, um wirtschaftlichen Veränderungen und internationalen Verpflichtungen Rechnung zu tragen. Es ist zu beachten, dass diese Schwellenwerte die Mehrwertsteuer (MwSt.) nicht berücksichtigen. Die letzten Aktualisierungen wurden im November 2023 veröffentlicht. Diese traten am 1. Januar 2024 in Kraft und sind für jede der Vergaberichtlinien unter den folgenden offiziellen EU-Informationen zu finden: Seite „Public Procurement → Legal Rules and Implementation → Thresholds“ (Öffentliche Beschaffung → Rechtliche Regelungen und Umsetzung → Schwellenwerte) (eventuell nicht in deutscher Sprache verfügbar).
Auf dieser Grundlage lauten die aktuellen Schwellenwerte:
- Öffentliche Bauaufträge: 5.538.000 €
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge für zentrale Regierungsbehörden: 143.000 €
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge für subzentrale öffentliche Auftraggeber: 221.000 €
- Weniger strenge Regelung für soziale und andere spezifische Dienste: 750.000 €
- Versorgungssektor (Bauaufträge): 5.538.000 €
- Versorgungswirtschaft (Liefer- und Dienstleistungsverträge): 443.000 €
Diese Schwellenwerte gelten für jedes eingeleitete Vergabeverfahren. Ein Aufspaltungsverbot verhindert die künstliche Aufspaltung im Wesentlichen ähnlicher Beschaffungen in Beschaffungen mit geringerem Wert. Dadurch werden Beschaffungen die unter den entsprechenden Schwellenwert fallen und somit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien von 2014 fallen würden, unterbunden. Diese Regelung stellt sicher, dass alle relevanten Aufträge den EU-Vergabevorschriften unterliegen und verhindert, dass öffentliche Auftraggeber ihren Verpflichtungen durch künstliche Aufspaltung oder Unterbewertung von Beschaffungen entgehen. Weitere Einzelheiten finden Sie in Artikel 5 der Richtlinie 2014/24/EU.
Auch wenn der Wert eines Auftrags unter den festgelegten Schwellenwerten liegt, gelten die allgemeinen Vergabegrundsätze der EU weiterhin, wenn bei der Beschaffung ein potenzielles grenzüberschreitendes Interesse besteht.
Details finden Sie im Folgenden unter Commission interpretative communication on the Community law applicable to contract awards not or not fully subject to the provisions of the Public Procurement Directives' (Interpretierende Mitteilung der Kommission zum Gemeinschaftsrecht für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nicht vollständig den Bestimmungen der Richtlinien über die öffentliche Auftragsvergabe unterliegen) (eventuell nicht in deutscher Sprache verfügbar).
3. Allgemeine Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU
Die Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU sind grundlegende Richtlinien, die gewährleisten sollen, dass die von öffentlichen Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten durchgeführten Beschaffungsprozesse fair, transparent und wettbewerbsoffen (gerecht und diskriminierungsfrei) sind.
Die Grundsätze leiten sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und den einschlägigen EU-Vergaberichtlinien ab und regeln die Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen durch öffentliche Behörden in der gesamten EU. Dabei wird sichergestellt, dass alle potenziellen Lieferanten fair und gleich behandelt werden. Die EU-Bestimmungen orientieren sich darüber hinaus auf internationaler Ebene stark am Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Agreement on Government Procurement, GPA) der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) zwischen 48 Mitgliedsstaaten.1
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mehrfach festgestellt2, „Auch wenn bestimmte Verträge vom Anwendungsbereich der Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens ausgenommen sind, sind die öffentlichen Auftraggeber, die diese Verträge abschließen, dennoch verpflichtet, die grundlegenden Bestimmungen des Vertrags einzuhalten.“
Diese Grundsätze gelten für Auftragsvergaben, die für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedsstaaten von Interesse sein könnten, unabhängig davon, ob die EU-Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe die Aufträge ausdrücklich abdecken. Angesichts der spezifischen Merkmale des Sektors für digitale Produkte und Dienstleistungen – wie Größe, Marktstruktur und der geringen Auswirkungen des geografischen Standorts auf die Bereitstellung digitaler Waren oder Dienstleistungen – werden Aufträge zur Implementierung eines lokalen digitalen Zwillings naturgemäß EU-weites Interesse wecken. Daher ist es unerlässlich, dass solche Aufträge unter Einhaltung der grundlegenden Standards des EU-Rechts vergeben werden.
Jeder öffentliche Beschaffungsprozess muss in allen Phasen – von der Marktkonsultation über die Ausarbeitung der Ausschreibungsvoraussetzungen bis hin zur Auftragsvergabe und Bekanntmachung – grundlegende Grundsätze und Standards einhalten. Die wichtigsten Grundsätze sind:
Freier Warenverkehr, Niederlassungsrecht und Dienstleistungsfreiheit
Das Grundprinzip besteht zunächst darin, dass ein qualifizierter Auftrag einer EU-weiten Ausschreibung unterzogen werden muss. Gemäß den EU-Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe erfolgt die Veröffentlichung der Ausschreibung in einem Medium mit großer Reichweite. Alle EU-Bieter werden dabei gleich behandelt, von der Ausarbeitung der Auswahlkriterien bis zur Auftragsvergabe.
Dieses Prinzip basiert auf dem freien Warenverkehr, der mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten verbietet und in den Artikeln 34 bis 36 AEUV zu finden ist. Es basiert außerdem auf der Niederlassungsfreiheit, die in Artikel 49 desselben Vertrags zu finden ist, und auf der Dienstleistungsfreiheit zwischen den Mitgliedsstaaten, die in Artikel 56 desselben Vertrags zu finden ist.
Beispiele für Auswahlkriterien in einer Ausschreibung, die nach diesem Grundsatz rechtswidrig wären, sind:
- Voraussetzung ist, dass der Bieter bereits über ein öffentlich zugängliches Büro oder eine Vertretung verfügt oder über Erfahrung in dem Land oder der Region verfügt, in der die Dienstleistung erbracht werden soll;
- Bevorzugt werden Wirtschaftsteilnehmer, die ihren Schwerpunkt in der Region haben, in der die Arbeiten, die Gegenstand der Beschaffung sind, ausgeführt werden sollen.
Gleichbehandlung
Gleichbehandlung bedeutet, dass gleiche Sachverhalte gleich oder unterschiedliche Sachverhalte ungleich behandelt werden. Dies bedeutet, dass öffentliche Auftraggeber die unterschiedlichen Fähigkeiten oder Schwierigkeiten einzelner Wirtschaftsteilnehmer nicht berücksichtigen, sondern diese ausschließlich auf Grundlage ihrer Bemühungen, d. h. der von ihnen eingereichten Angebote, beurteilen. Dies gewährleistet eine objektive Bewertung der Angebotspreise und -qualitäten und lässt alle für die Ermittlung des wirtschaftlich effizientesten Angebots irrelevanten Erwägungen außer Acht.
Ein Beispiel für den Gleichbehandlungsgrundsatz findet sich in Artikel 24 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU. Dieser besagt, dass Interessenkonflikte bei Vergabeverfahren zu Parteilichkeit führen können. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten, müssen solche Konflikte identifiziert, verhindert oder behoben werden.
Bei der Bewertung der Bieter anhand der für eine bestimmte Ausschreibung festgelegten Auswahlkriterien sollte die Gleichbehandlung der Bieter gewährleistet sein. Darüber hinaus sollten die Bewertungen der einzelnen Bewerbungen klar, begründet und vollständig dokumentiert sein, um die Entscheidung des Bewertungsausschusses über den Zuschlag nachzuweisen und die faire Behandlung aller Bewerber im Vergabeverfahren zu belegen.
Nichtdiskriminierung
Im EU-Kontext erstreckt sich der Gleichbehandlungsgrundsatz auf die Staatsangehörigkeit und den Ursprung von Waren. Alle in der EU ansässigen Wirtschaftsteilnehmer und Angebote, einschließlich Waren mit Ursprung in der EU, sind gleich zu behandeln. Das bedeutet, dass Zulassungsbedingungen, die sich auf die Staatsangehörigkeit oder die lokale Herkunft beziehen, automatisch zu einer Ungleichbehandlung führen, da sie bestimmte (ausländische) Wirtschaftsteilnehmer diskriminieren und andere bevorzugen. Öffentliche Auftraggeber dürfen keine Bedingungen stellen, die zu direkter oder indirekter Diskriminierung führen. Dies bedeutet, dass beispielsweise die Anforderung, dass Bieter im selben Mitgliedstaat oder derselben Region wie der öffentliche Auftraggeber ansässig sein müssen, nicht gestellt werden darf.
Über die nationale Gültigkeit hinaus verhindert der Gleichbehandlungsgrundsatz auch die Verwendung maßgeschneiderter Spezifikationen, die bestimmte Anbieter absichtlich oder unabsichtlich bevorzugen. Technische Spezifikationen dürfen sich nicht auf eine bestimmte Marke, eine Quelle, ein Verfahren, ein Warenzeichen, ein Patent, einen Typ, einen Ursprung oder eine Produktionsmethode beziehen, es sei denn, der Vertragsgegenstand rechtfertigt dies ausdrücklich. Selbst in diesen Fällen muss der Verweis stets mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen sein, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Wann immer möglich, sollten öffentliche Auftraggeber stattdessen allgemeine Leistungs- oder Funktionsbeschreibungen verwenden.
Beispiele für rechtswidrige und diskriminierende Auswahlkriterien:
- Mindestens fünf ähnliche Referenzen müssen ausschließlich aus dem öffentlichen Sektor und nicht aus dem privaten Sektor stammen, es sei denn, dies ist gerechtfertigt und nicht diskriminierend;
- Vorlage von Referenzen für frühere Arbeiten, die in Wert und Umfang deutlich über dem ausgeschriebenen Auftrag liegen, es sei denn, dies ist gerechtfertigt und nicht diskriminierend;
- Zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe müssen bereits über im Land des öffentlichen Auftraggebers anerkannte Qualifikationen/Berufszertifikate vorliegen, da dies für ausländische Bieter in einem so kurzen Zeitraum nur schwer zu erfüllen wäre.
- Einhaltung eines bestimmten Berufsstandards ohne Verwendung der Formulierung „oder gleichwertig“.
Transparenz
Die öffentlichen Auftraggeber gewährleisten die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung durch die Einhaltung des Transparenzprinzips, das als Mechanismus zur Überprüfung dient. Die Verpflichtung zur Transparenz besteht nach der Rechtsprechung des EuGH4 darin, „zum Nutzen aller potenziellen Bieter eine ausreichende Bekanntmachung zu gewährleisten, um die Öffnung des Dienstleistungsmarktes für den Wettbewerb und die Unparteilichkeit der zu überprüfenden Verfahren zu ermöglichen“.
Die Transparenzanforderungen sind in der allgemeinen Vergaberichtlinie 24/2014 in Abschnitt 2 und den Artikeln 48–55 der Richtlinie, die der Veröffentlichung und Transparenz gewidmet sind, ausdrücklich festgelegt.
Die Auftragsbekanntmachung, etwaige Vorinformationen (einschließlich klarer technischer Spezifikationen, Ausschlussgründe, Auswahl- und Zuschlagskriterien) und die Ergebnisse der Auftragsvergabe müssen mit einem Minimum an spezifischen Informationen, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens, in einer bestimmten Form und elektronisch veröffentlicht werden. Im Falle von Klärungsanfragen seitens der Bieter wird empfohlen, die Kommunikation ausschließlich in schriftlicher Form zu führen. Alle zusätzlichen Informationen des öffentlichen Auftraggebers müssen allen potenziellen Bietern und nicht nur dem um Klärung bittenden Bieter zugänglich gemacht werden.
Im Rahmen der Angebotsbewertung sind die öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet, einen Bewertungsbericht zu erstellen und zu jedem Auftrag ausreichende Informationen aufzubewahren, um die Entscheidungen über die Auswahl der Bieter und die Auftragsvergabe zu begründen. Der Bewertungsausschuss sollte sicherstellen, dass jede vergebene Bewertung schriftlich begründet wird. Die Bewertungen und Anmerkungen zu jedem Bieter müssen in einem Schreiben an den Bieter dargelegt und in den Bewertungsbericht aufgenommen werden.
Verhältnismäßigkeit
Jede Phase des Ausschreibungsverfahrens muss auf das Ausschreibungsziel ausgerichtet sein, und alle Entscheidungen müssen durch die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers begründet sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt sicher, dass die Vergabeverfahren und -anforderungen angemessen und nicht überzogen sind.
Dies bedeutet, dass zentrale Aspekte (wie Teilnahmebedingungen und Zuschlagskriterien) für die Erreichung der Beschaffungsziele relevant und erforderlich sein müssen. Genauer gesagt:
- Wahl des Ausschreibungsverfahrens: sollte in direktem Zusammenhang mit dem Wert des Auftrags und seinem Gegenstand stehen;
- ob Verträge zusammengefasst oder in Lose aufgeteilt werden sollen;
- Anzahl und Inhalt der Eignungsanforderungen, Anforderungen an die finanzielle und wirtschaftliche Stärke, Anforderungen an die technischen und beruflichen Fähigkeiten, Auswahlkriterien (alle diese Bedingungen sollten mit dem Beschaffungsobjekt in Zusammenhang stehen und in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen); Beispielsweise ist ein Jahresumsatz von 10 Millionen Euro ein unverhältnismäßiges Auswahlkriterium, auch wenn der Auftragswert nur 1 Million Euro beträgt;
- Anforderungen an Konsortien;
- Zuschlagskriterien: Auswahl des am besten geeigneten Zuschlagskriteriums zwischen „niedrigster Preis“, „niedrigste Kosten auf der Grundlage der Kosteneffizienz“ oder „bestes Preis-Leistungs-Verhältnis“ auf Grundlage der Relevanz und Art des Auftrags;
- Vertragsbedingungen.
Gegenseitige Anerkennung
Artikel 60 AEUV besagt, dass Zertifizierungen, Standards und Qualifikationen eines EU-Mitgliedstaates von anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden sollten. Dies erleichtert die grenzüberschreitende Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen, indem es administrative Hürden für Anbieter aus verschiedenen EU-Ländern abbaut.
Gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Zeugnissen und sonstigen Nachweisen formaler Qualifikationen müssen auch Dokumente aus anderen Mitgliedsstaaten akzeptiert werden, die eine gleichwertige Garantie bieten, wenn von den Bewerbern oder Bietern die Vorlage von Zeugnissen, Diplomen oder sonstigen schriftlichen Nachweisen verlangt wird.
Daher ist es beispielsweise unzulässig, von einem Bewerber die Mitgliedschaft in einem bestimmten Berufsverband des Landes des öffentlichen Auftraggebers als Nachweis zu verlangen, solange der Bewerber nachweisen kann, dass er nach den nationalen Rahmenbedingungen für eine bestimmte berufliche Tätigkeit qualifiziert ist.
4. Quellen und Lesematerial (in englischer Sprache)
- Commission interpretative communication on the Community law applicable to contract awards not or not fully subject to the provisions of the Public Procurement Directives, 2006, Erläuternde Mitteilung der Kommission
- Public Procurement in the EU: Legislative Framework, Basic Principles and Institutions, 2016, Sigma-Programm (gemeinsame Initiative der OECD/EU)
- Public Procurement: Below-Threshold Contracts, 2016, Sigma-Programm (gemeinsame Initiative OECD/EU)
- Public Procurement Guidance For Practitioners, 2018, Europäische Kommission
- Implementation and best practices of national procurement policies in the Internal Market, 2021, EK
- NON-COMPLIANCE WITH THE RULES ON PUBLIC PROCUREMENT - TYPES OF IRREGULARITIES AND BASIS FOR QUANTIFICATION
- Common procurement vocabulary (CPV), Website der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission, Zugriff am 14.1.24
- Your Europe - Public tendering rules
Die Texte, die den EU-Rechtsrahmen für die Auftragsvergabe bilden, sowie eine Reihe weiterer nützlicher Dokumente und Links finden Sie auf der Website der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission: https://single-market-economy.ec.europa.eu/single-market/public-procurement_en (eventuell nicht in deutscher Sprache verfügbar).